Oletzko

TreuburgDer Landkreis Oletzko (ab 1933 Kreis Treuburg) hat eine Flächengröße von 855,81 qkm und 37 998 Einwohner, d. s. 44,4 auf 1 qkm. Er hat die Form eines Halbkreises, dessen Gerade die östliche Landes­grenze bildet. Der Lage und der Bewohner nach gehört das Kreisgebiet zur Masurischen Seenplatte mit Grund- und Endmoränen, in die zahlreiche Seen eingebettet sind. Die Seesker Höhen reichen aus dem Kreise Goldap über die nördliche Grenze in den Kreis Oletzko hinein, wo unmittelbar an seiner Peripherie der 309 m hohe Seesker Berg, die zweit­höchste Erhebung Ostpreußens, liegt. Der Kreis Oletzko hat ein ausgesprochenes Binnen­klima mit heißen Sommern und kalten Wintern. Er bildet den Kältepol Ostpreußens. Den westlichen Kreisteil durchfließt der Lyckfluß; er entspringt unter dem Namen Haschnen am Seesker Berge, empfängt die Abflüsse der Seengruppe um den Haschner See, tritt aus dem Litigainosee heraus und fließt dann südwärts. Das ausgedehnte Hügelland ist sehr abwechs­lungsreich durch die vielen Hügel, Kuppen und Berge, durch kleinere und größere Senken, in denen malerisch gelegene Seen oder dahineilende Flüsse und Bäche das Landschaftsbild auflockern.
Bis zur Herzogszeit gehörte das Kreisgebiet zur Wildnis, es wurde vom 16. Jahr­hundert ab erschlossen und besiedelt; es gehörte größtenteils zum Amt Oletzko. Östlich des Seesker Höhenzuges lag einst das zum prußischen Gau Sudauen gehörende Gebiet Meru­nisken (1326 erstmals erwähnt). An dies erinnert das bereits in der Ordenszeit bestehende Dorf Mierunsken (Merunen), am Südostwinkel des Großen Meruner Sees und unmittelbar an der litauischen Grenze gelegen. Es übte einen bedeutenden Grenzhandel aus und war Markt­flecken. Bei dem Tatareneinfall und in den Pestjahren hatten die Ortschaften des Kreises sehr zu leiden; 1710/11 starben im Amt Oletzko 10910 Menschen an der Pest. Erst nach und nach konnte das Kreisgebiet von masurisch sprechenden Einwanderern neu besiedelt werden. Ihrer Kultur und Gesinnung nach waren sie deutsch, was sie bei der Abstimmung 1920 in hohem Maße bewiesen haben. Im Kreise gaben 28 625 ihre Stimmen für Deutschland und nur 2 für Polen ab. Das wirtschaftliche Leben beruht fast ausschließlich auf den landwirt­schaftlichen, meist klein- und mittelbäuerlichen Betrieben. Der Großgrundbesitz war nur wenig vertreten, 1931 waren die größten Güter im Kreise: Lehnarten (695 ha), die Domäne Schwalg (527 ha), Nordental mit dem Vorwerk Nordenberg (585 ha), Billstein (625 ha). Die Kreisstadt Marggrabowa (Treuburg) ist am Ausfluß der Lega aus dem 7 km langen Treuburger See 1560 von Herzog Albrecht gegründet worden.
Die planmäßig angelegte Stadt mit dem Namen Marggrabowa (Markgrafenstadt) entstand gegenüber einer herzoglichen Jagdbude, bei der eine Handelsstraße von Preußen nach Polen zwischen dem Großen und dem Kleinen Treuburger See die Lega überschreitet. Die Grundfläche der Stadt bildet ein unregelmäßiges Viereck, in deren Mitte der 7 ha große Marktplatz, der größte ganz Deutschlands, liegt. Auf ihn laufen an den vier Ecken und von Südosten her fünf Fernstraßen zu. Mitten auf dem Markt waren die Pfarrkirche mit dem Kirchhof, das Rathaus, die Schule und 1789 auch die Kasernen erbaut worden. Der Kirchhof wurde später in schmucke Grünanlagen umge­wandelt. Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaute Kirche wurde 1901 grund­legend verändert. Aus dem ersten Gotteshaus dürfte die Messing-Taufschale von 1587 stammen. Das Wirtschaftsleben der Stadt gründete sich vor allem auf den regen Grenzhandel und den Marktbetrieb mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie mehrere Handwerks­betriebe. 1616 wurde Marggrabowa Sitz der Amtshauptmannschaft Stradaunen, in jener Zeit wurde auch das Schloß Oletzko erbaut; nach seinem Abbruch entstand auf seinen Grund­mauern das Kreishaus. Die Entwicklung der Stadt wurde im 17. und 18. Jahrhundert mehr­fach gehemmt und gestört durch große Brände. Beim Tatareneinfall brannte die ganze Stadt nieder, 1684 wurde die wiederaufgebaute Stadt bis auf die Holländer Straße eingeäschert; in ähnlicher Weise zerstörten die Brände von 1701, 1706 und 1740 ganze Stadtteile. In der Pestzeit überlebten von etwa 1000 Bewohnern nur 38 die Seuche. 1714 erhielt Marggrabowa Garnison. 1758/62 besetzten es die Russen, und in der napoleonischen Zeit hatte die Stadt unter dem Durchzug von Franzosen und Russen zu leiden. Erst im 19. Jahrhundert setzten Wachstum und ein regeres Wirtschaftsleben ein. Es entwickelten sich ein ausgedehnter Handel, vor allem mit Getreide, und einige Industrien, hauptsächlich Mühlen- und Molkereibetriebe, auch eine landwirtschaftliche Maschinenfabrik. 1862 wurde die Katholische Kirche vollendet. Im Jahre 1867 sprachen 4149 Bewohner deutsch und 76 masurisch. 1880 erhielt Treuburg eine Landwirtschaftsschule, die 1907 Realschule, 1930 Realgymnasium wurde. Erheblichen Auf­trieb brachte der Eisenbahnanschluß: nach Goldap und Lyck 1879, nach Kruglanken 1908 und nach Czymochen (Reuß) 1915. Im Jahre 1911 wurde die Kleinbahn nach Schwentainen und Garbassen fertiggestellt. Im Ersten Weltkrieg war Marggrabowa zweimal von den Russen besetzt und wurde teilweise zerstört; es wurde noch während des Krieges mit Hilfe des Patenkreises Bergisch-Gladbach wiederaufgebaut. Bei der Volksabstimmung 1920 erhielten die Polen keine einzige Stimme; für die bewiesene Treue erhielt sie am 11. Dezember 1928 den Namen Treuburg. Am Seeufer ließ die Stadt den Hindenburgpark anlegen, in dem 1926 der Rund­bau des Kreiskriegerdenkmals neben vorbildlichen Sportanlagen errichtet wurde. Der um den See 12 km lang angelegte Spazierweg gehörte mit dem zum Teil bewaldeten Steilufer und dem am See gelegenen Gästeheim Masurenhof in Liebchensruh zu den schönsten und be­suchtesten Stätten Masurens. 1939 hatte Treuburg 7411 Einwohner. Im Zweiten Weltkrieg mußte die Stadt am 21. Januar 1945 den Russen überlassen werden. Seit 1946 gehört sie zum polnisch Teil Ostpreußens und heißt nun Olecko.
Der Kreis Oletzko hat im Nordwesten Anteil an dem Rothebuder Forst, in dem dortigen einzigartigen Seengebiet liegt das Naturschutzgebiet der Schwarzen Störche. Bei Wensöwen (Eibenau) ist ein ansehnlicher Eibenbestand auf dem dortigen Schloßwall geschützt worden.  Das Kirchdorf Czychen (Bolken)  blieb bei dem Ta­tareneinfall 1656 verschont. Ein Tatar, der das Dorf anzünden sollte, wurde durch den An­blick eines Marienbildes auf dem Altar vor der ruchlosen Tat bewahrt. Wahrscheinlich han­delt es sich dabei um den Altarschrein aus dem Ende der Ordenszeit (um 1510), der in die 1727 vollendete neue Kirche übernommen worden ist. Das an der Straße von Marggrabowa nach Widminnen gelegene Dorf Duneiken war durch seine Molkerei und Brennerei be­kannt. Das Kirchdorf  Wielitzken (Wallenrode) am Kleinen Treuburger See beherbergt ein seltenes Kleinod in seiner 1686 erbauten Holz kirche. Es handelt sich um einen Bohlenwandbau auf Feldsteinfundament. Den Altar hat der Marggrabower Bildhauer Schöbel 1708 vollendet. In der Umgebung Marggrabowas standen noch mehrere masurische Holzhäuser aus der Zeit um 1800, z. B. in Willkassen, Rosteckwolly (Wiesenfelde), Markowsken (Markau). Am Schwentainer See westlich Marggrabowa liegen die Dörfer Schwentainen und Suleiken. Das letzte war wohl namengebend für den Titel der masurischen Erzählungen „So zärtlich war Suleyken“ von Siegfried Lenz. Patenschaften bestehen zwischen dem ehemaligen Landkreis Oletzko (Treuburg) und der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Bergisch-Land und zwischen der Stadt Marggrabowa (Treuburg) und der Stadt Opladen (Rhein).

Quelle: Ostpreussen 1440 Bilder von Emil Johannes Gutzeit, Verlagshaus Würzburg 2001

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